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Bioeconomy Austria Summit 2025

Unter dem Motto „Wettbewerbsfähigkeit. Resilienz. Klima.“ hat der Bioeconomy Austria Summit am 12. November 2025 eindrucksvoll gezeigt, welche Innovationskraft in der österreichischen Bioökonomie steckt – und dass Bioeconomy Austria als zentrale Plattform in diesem Feld fest positioniert ist. Führende Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Regionen präsentierten ihre Lösungen für eine biobasierte Wirtschaft, die Klimaschutz, Wertschöpfung und Versorgungssicherheit zusammenführt.

23 Aussteller:innen machten Bioökonomie erlebbar: Start-ups, Leitbetriebe und Forschungseinrichtungen zeigten neue Materialien, kaskadische Nutzungskonzepte und biobasierte Produkte, die Ressourcen schonen, regionale Kreisläufe stärken und Österreich unabhängiger von fossilen Importen machen. Die Zahlen unterstreichen die Dimension: Die Bioökonomie trägt bereits heute rund acht Prozent zum österreichischen BIP bei, erwirtschaftet mit über 35.000 Unternehmen und mehr als 400.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund 180 Milliarden Euro – und liegt damit auf Augenhöhe mit der heimischen Autoindustrie, mit deutlichem Wachstumspotenzial entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Auch europaweit ist die Bioökonomie ein zentraler Wachstumspfeiler mit einer Wertschöpfung von über 800 Milliarden Euro jährlich.

Bioökonomie als Wirtschaftsstrategie: Pionierin Papierindustrie

In ihrem Vortrag zeichnete Sigrid Eckhardt von Austropapier ein klares Bild der Bioökonomie als Zukunftsstrategie, die ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele gleichermaßen adressiert. Bioökonomie bedeute die nachhaltige Nutzung biologischer und biobasierter Ressourcen, um fossile Rohstoffe zu ersetzen, Kohlenstoffkreisläufe zu schließen und Klima- sowie Umweltziele zu erreichen und sei damit eine Antwort auf Klimakrise, geopolitische Unsicherheiten und verletzliche Lieferketten. Eckhardt zeigte am Beispiel der Papierindustrie, wie Wachstum und Klimaschutz keine Gegensätze, sondern Verbündete sind: Holz und Altpapier dienen als biobasierte Rohstoffe, Fasern werden bis zu 25 Mal wiederverwendet, knapp 70 Prozent der eingesetzten Energie stammen bereits aus erneuerbaren Quellen und der Abfallanteil liegt unter einem Prozent. In einem Bioraffinerie-Ansatz nutzt die Branche Nebenprodukte wie Hemizellulose und Lignin für Zucker, Biokraftstoffe oder perspektivisch innovative Anwendungen wie Lignin-basierte Batterien. Gleichzeitig bekannte sich die Industrie zu ambitionierten Klimazielen – minus 43,5 Prozent fossile Emissionen bis 2030 und langfristige Klimaneutralität – und machte deutlich, dass technologische, regulatorische und energiepolitische Rahmenbedingungen entscheidend dafür sind, ob dieses Potenzial gehoben werden kann.

Europäische Bioökonomie im globalen Wettbewerb

Cornelia Frentz, Director Governance and Sustainable Investing beim European Circular Bioeconomy Fund (ECEF), rückte die Bioökonomie in einen europäischen und globalen Kontext. Der von der Europäischen Kommission initiierte Fonds schließt eine Finanzierungslücke, indem er Wachstumsunternehmen der zirkulären Bioökonomie in der EU und weiteren Horizon-Ländern mit bis zu 22 Millionen Euro unterstützt. Frentz machte deutlich, dass Europa mit einer Bioökonomie-Wertschöpfung von über 800 Milliarden Euro und rund 17 Millionen Arbeitsplätzen zwar stark aufgestellt ist, sich aber in einem intensiven Wettbewerb mit den USA und China befindet: Während die USA mit hoher Geschwindigkeit und einer gezielten politischen Agenda vorangehen und China im Rahmen seines Fünfjahresplans die Biotechnologie zur strategischen Schlüsselindustrie macht, kämpft Europa mit komplexer Regulierung und zu langsamer Skalierung. Vor diesem Hintergrund plädierte Frentz für eine strategische Erneuerung der EU-Bioökonomiestrategie, eine bessere Verzahnung von Politik, Kapital und Innovation sowie eine deutlich höhere Umsetzungs- und Markteinführungs-Geschwindigkeit. Die Rolle des ECEF sieht sie dabei als langfristig zentral und sprach sich dafür aus, den Fonds über die aktuelle Investitionsperiode hinaus fortzuführen.

Bioökonomie braucht Bioenergie

Christoph Pfemeter, Präsident von Bioenergy Europe und Geschäftsfüherer des Österreichischen Biomasse-Verbandes, stellte klar: Eine erfolgreiche Bioökonomie ist ohne Bioenergie nicht zu denken. Vor dem Hintergrund weiter wachsender globaler Märkte für Kohle, Öl und Gas und der absehbaren Notwendigkeit negativer Emissionen argumentierte er, dass die Landnutzung zum entscheidenden Hebel für Klimaneutralität wird. Österreich sei hier in einer starken Position: Nur rund sieben Prozent der natürlichen Photosyntheseleistungen werden derzeit genutzt, gleichzeitig gilt der Standort als hocheffizient, importiert Rohbiomasse und exportiert veredelte Produkte. Pfemeter zeigte, dass Bioenergie je nach Effizienzmaßnahmen 30 bis 50 Prozent des heimischen Energiebedarfs decken könnte und dabei besonders hohe Substitutionseffekte erzielt: Werden energetische, konstruktive (z. B. Holzbau) und stoffliche Effekte kombiniert, kann eine Tonne biogener Kohlenstoff mehr als eine Tonne an positiven Klimaeffekten bewirken. Ökonomisch sei Bioenergie ein „Wirtschaftswunder“, da ein Großteil der Projektkosten in regionale Arbeit fließe und die CO₂-Vermeidungskosten deutlich unter jenen vieler technischer CO₂-Entnahmeverfahren liegen. Gleichzeitig zeigte er Handlungsbedarf: von der europäischen Anerkennung nationaler Forstrechte und dem Abbau bürokratischer Hürden in Regelwerken wie der EUDR, der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und verwandten EU-Rechtsakten über ein aktives Waldmanagement zur Klimaanpassung bis hin zu Lösungen für hunderttausende fossile Heizsysteme in Haushalten.

Vom Papierwerk zur Bioraffinerie: Industrie im Wandel

Der Leiter der F&E-Abteilung, Christian Hutterer präsentierte die Transformation seines Unternehmens AustroCel Hallein als Beispiel für den mutigen Wandel von einem traditionellen Papierhersteller hin zu einer modernen Bioraffinerie. Ausgangspunkt war ein global hart umkämpfter Papiermarkt mit starkem Preisdruck, der das Unternehmen dazu zwang, seine Strategie grundlegend zu überdenken. Heute setzt AustroCel Hallein auf Zellstoffproduktion, basierend auf nachwachsenden Rohstoffen – vor allem der Fichte – und nutzt dabei im großen Stil Reststoffe, die früher als Abfall galten. Ziel ist die 100-prozentige Nutzung aller Holzinhaltsstoffe in einem kaskadischen System: Vor der energetischen Verwertung stehen möglichst viele stoffliche Anwendungen. Aus einer ursprünglichen Produktlinie sind so mehr als 80 spezielle Produkte entstanden, die in Bauwesen, Lebensmittel- und Hygienebranche eingesetzt werden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Umwandlung von Hemizellulose zu rund 20.000 Tonnen Bioethanol pro Jahr, was bereits etwa ein Prozent des österreichischen Benzinverbrauchs ersetzen kann und deutliche CO₂-Einsparungen ermöglicht. Ergänzend wurde ein vollständig biologischer Bodenhilfsstoff namens Retentis entwickelt, der den Wasserbedarf in der Landwirtschaft um bis zu 40 Prozent senken kann und so zur Klimaanpassung beiträgt. Hutterer betonte, dass das Unternehmen praktisch unabhängig von fossilen Energieträgern arbeitet und eine nahezu vollständige CO₂-Massenbilanz vorweisen kann, zugleich aber mit komplexen Regulierungen ringt, wenn es darum geht, Nebenströme rechtlich nicht als Abfall, sondern als hochwertige Kaskadenprodukte zu nutzen.

Strukturwandel im Rheinischen Revier: Bioökonomie statt Braunkohle

Christian Klar, Leiter Koordinierungsstelle BioökonomieREVIER in Nordrhein-Westfalen, schilderte den tiefgreifenden Strukturwandel im Rheinischen Revier, das durch die politisch beschlossene Beendigung der Braunkohleförderung bis 2030 vor einem massiven Umbruch steht. Mit dem Wegfall des dominierenden Geschäftsmodells sind unmittelbar rund 20.000 Arbeitsplätze und indirekt bis zu 50.000 weitere Stellen betroffen. Dennoch sei die Region alles andere als strukturschwach: Sie verfüge über exzellente Hochschulen, eine starke Landwirtschaft sowie etablierte Branchen wie Papier-, Chemie- und Textilindustrie. Das Forschungszentrum Jülich habe diesen Ausgangspunkt genutzt, um in einem Bottom-up-Prozess gemeinsam mit regionalen Akteur:innen Bioökonomie als Leitbild des Strukturwandels zu verankern. Im Zentrum stehen die Nutzung von Agrarüberschussströmen, organischen Abwässern, CO₂-Quellen und Lebensmittelresten, um auf Regionsskala eine kreislauforientierte, rohstoffbasierte Bioökonomie aufzubauen. Christian Klar betonte, dass Transformation aktive Gestaltung braucht: Netzwerke über Sektorengrenzen hinweg, starke Treiber in Wissenschaft, Unternehmen und Kommunen sowie eine gezielte Nutzung der bereitgestellten 15 Milliarden Euro Kompensationsmittel. Projekte wie der Agri-Energy Park in Merzenich, der auf einer ehemaligen Tagebaufläche entsteht, zeigen, wie neue Wertschöpfung durch die Verbindung von Forschung, Start-ups und kommunaler Entwicklung geschaffen werden kann. Vorausgesetzt, öffentliche Gelder werden so eingesetzt, dass sie privates Kapital anreizen statt verdrängen.

Intelligente Materialien und Forschung als Treiber der Bioökonomie

Am Institut für Chemie nachwachsender Rohstoffe der BOKU University forscht Marco Beaumont. Er rückte die Rolle der Forschung in den Mittelpunkt des Wandels von der petrochemischen zu einer biobasierten Wirtschaft. Im Zentrum seiner Ausführungen standen intelligente Materialien, die so gestaltet sind, dass sie gezielt abbaubar, wiederverwendbar oder recycelbar sind und dennoch die funktionalen Anforderungen moderner Anwendungen erfüllen. Beaumont unterschied zwei Wege der Defossilisierung: die Substitution fossiler Rohstoffe durch biobasierte Alternativen bei gleichbleibender Produktfunktion und einen zweiten, radikaleren Ansatz, der direkt bei komplexen Naturverbundwerkstoffen ansetzt und neue Materialien „aus der Biomasse heraus“ denkt. Das Institut arbeitet dafür mit rund 50 Mitarbeitenden an der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung, Industriekooperationen und analytischer Methodenentwicklung. Angesichts der hohen Komplexität von Biomasse sei der Aufbau schneller, reproduzierbarer Analysemethoden entscheidend, um Rohstoffe und Prozesse kontrollierbar zu machen. Besonderes Augenmerk legte Beaumont auf die kaskadische Nutzung lokaler Biomasse und Restströme – von Agrarreststoffen über Nebenprodukte der Insektenzucht bis hin zu neuen Celluloseformen, die sich zu Kunststoffen weiterverarbeiten lässt. Großprojekte sollen zeigen, wie diese Ansätze in industrielle Anwendungen überführt werden können. Um diesen Transfer zu beschleunigen, brauche es neben der Nachwuchsförderung vor allem bessere Förderbedingungen und eine noch engere Zusammenarbeit mit Unternehmen.

Gemeinsamer Netzwerkabend mit FHP und Bundesminister Totschnig

Das FHP & Bioeconomy Austria Netzwerktreffen markierte den Ausklang eines gelungenen Summit-Tages mit vielen Synergieeffekten. Wir bedanken uns für die gute Zusammenarbeit mit der Kooperationsplattform Forst Holz Papier, gratulieren Konrad Mylius herzlich zu seiner neuen Funktion als FHP-Vorsitzender und danken seinem Vorgänger Erich Wiesner für die langjährige Kooperation. Besonders positiv war das klare Bekenntnis von Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft Norbert Totschnig, der die Bioökonomie als zentralen Baustein für eine zukunftsfähige, regionale Wertschöpfung und eine starke, klimafitte Land- und Forstwirtschaft in Österreich hervorgehoben hat.

Bioeconomy Austria als Drehscheibe der biobasierten Wirtschaft

Der Summit machte deutlich, dass Österreich im Bereich Bioökonomie international auf Augenhöhe agiert und dass die Herausforderungen der kommenden Jahre nur im Schulterschluss von Wirtschaft, Forschung, Politik und Regionen bewältigt werden können. Als zentrale Plattform vernetzt Bioeconomy Austria diese Akteur:innen und unterstützt sie dabei, Innovationen schneller in die Anwendung zu bringen, Wissen zu teilen und gemeinsam Lösungen für eine resiliente, klimafitte Wirtschaft zu entwickeln.

Mit den gezeigten Best-Practice-Beispielen, den konkreten Investitions- und Transformationspfaden sowie der klaren Botschaft, dass Bioökonomie ein Wirtschaftsmotor mit Zukunft ist, hat der Bioeconomy Austria Summit 2025 ein starkes Signal gesetzt. Er markiert den Ausgangspunkt für weitere gemeinsame Schritte in Richtung einer biobasierten, ökosozialen Wirtschaftsordnung.