Für das Projekt Bioeconomy Austria war Gottfried Hebenstreit vom Ökosozialen Forum Österreich & Europa bei der in Den Haag vor Ort. Die „World Bio Marktes 2025“ brachte an 2 Tagen über 300 Vertreter:innen aus Wirtschaft, Forschung und Politik zusammen – mit dem gemeinsamen Ziel, biobasierte Innovationen zur neuen Normalität zu machen – ganz nach dem Motto: „Make bio the new normal“. In einem vielfältigen Programm aus 35 Konferenzbeiträgen, zahlreichen Ausstellungsständen und vorab vereinbarten B2B-Meetings wurden zentrale Herausforderungen und Erfolgsfaktoren für die Skalierung bioökonomischer Geschäftsmodelle diskutiert und Kooperationsmöglichkeiten definiert. Übrigens: Ab 2026 wird ein Rebranding stattfinden: Aus World Bio Markets werden drei Konferenenzen:
Bio Innovations APAC: 04.-05.03.2026, Singapur
Bio Innovations Europe: 10.-11.06.2026, Den Haag
Bio Innovations North America: 09.-10.09.2026, Omaha
Im folgenden Bericht befindet sich eine Kurzusammenfassung der – für Bioeconomy Austria – wichtigsten Inhalte, sowie ein Überblick über innovative Firmen mit möglichen Anknüpfungspunkten für unsere Partner:innen.



Biobasierte Innovationen zwischen Industriepartnerschaft und Performance-Druck
In einer aufschlussreichen Diskussionsrunde gaben Fabien Deswarte, Head of Strategic Partnerships bei L’Oréal, und Ute Schick, Leiterin der Geschäftseinheit Cosmetics & Care Solutions bei Evonik, Einblicke in die biobasierte Transformation ihrer Unternehmen. Beide betonten, dass Nachhaltigkeit längst kein „Nice-to-have“ mehr sei, sondern auf Vorstandsebene strategisch verankert ist. Besonders wichtig sei dabei, dass biobasierte Lösungen nicht nur ökologisch überzeugen, sondern auch in Bezug auf Performance mithalten – oder sogar besser abschneiden – müssen. Der Trend geht klar in Richtung funktionaler, biologisch abbaubarer Inhaltsstoffe, die echte Mehrwerte bieten. Startups sollten regulatorische Rahmenbedingungen frühzeitig berücksichtigen, ihr Geschäftsmodell auf Skalierbarkeit hin planen und den Marktbedarf realistisch einschätzen. Biotechnologie gilt als langfristiger Hebel für Defossilierung.
Ein zentrales Thema war die Zusammenarbeit zwischen Konzernen, Startups und Scale-ups. L’Oréal (plant bis 2030 zu 95% biobasiert zu produzieren), Evonik und das französische Biotech-Unternehmen Abolis etwa bilden gemeinsam eine Allianz um neue bio-basierte Wirkstoffe effizient von der Forschung in die industrielle Anwendung zu überführen. Mit dem neuen, mit 100 Mio. € ausgestatteten Sustainable Innovation Accelerator von L’Oréal eröffnen sich zudem neue Chancen für konkrete Kooperationen im Bereich marktnaher, biobasierter Lösungen.
Investitionsperspektiven für die zirkuläre Bioökonomie in Europa
Michael Nettersheim, einer der Managing Partner des European Circular Bioeconomy Fund (ECBF), betonte in seinem Beitrag die Schlüsselrolle privater Investitionen beim skalieren bioökonomischer Innovationen. Der ECBF fokussiert sich gezielt auf Scale-ups mit marktnahen Technologien, insbesondere in den Bereichen biobasierte Materialien, Chemikalien sowie Agrar- und Foodtech. Der Fonds wird unter anderem von der Europäischen Investitionsbank sowie Industriepartnern wie Nestlé und Corbion getragen. Zentrales Investitionskriterium sei neben dem wirtschaftlichen Potenzial die Klimawirksamkeit der Technologien – also deren Beitrag zur Reduktion oder Entfernung von Treibhausgasen.
Als größtes Hindernis für die Bioökonomie identifizierte Nettersheim den schwierigen Übergang vom Labor- in den industriellen Maßstab. Die Branche müsse kosteneffizienter produzieren, zum Beispiel durch neue Ansätze wie kontinuierliche Fermentation, und gleichzeitig „grün“ ohne Preisaufschlag liefern. Technologien rund um KI, biologische Datenanalysen und fermentative Prozesse seien vielversprechende Hebel, um die Effizienz signifikant zu steigern. Um dies erfolgreich umzusetzen, seien Partnerschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette essenziell. Für Start-ups gelte: Marktpotenzial, Skalierbarkeit und belastbare Kostenstrukturen müssen von Anfang an mitgedacht werden.
Finanzierungsstrategien für Startups in unsicheren Zeiten
Die Panelteilnehmer:innen dieser Session waren sich einig: Die aktuellen Finanzierungsbedingungen für Startups und Wachstumsunternehmen sind so schwierig wie seit Jahren nicht mehr. Michaela Puddu (Emerald Technology Ventures), Elisabeth Storm de Grave (Invest NL), Guillaume Baxter (Sofinnova Partners) und Moderator Rob van der Meij (Capricorn Partners) betonten, wie entscheidend ein klarer Fokus auf Cash-Management, operative Effizienz und belastbare Meilensteine sei. In einem gesättigten Marktumfeld, geprägt durch überbewertete Finanzierungsrunden in den Vorjahren, gelte es nun, realistische Bewertungen zu setzen und bestehende Partnerschaften – insbesondere mit strategischen Investoren – zu stärken. Frühzeitige Offenheit gegenüber Investoren und aktive Nutzung der Kompetenzen im eigenen Board wurden als zentrale Erfolgsfaktoren genannt. Resilienz, Realismus und strategische Partnerschaften als Erfolgsfaktor: Gerade für Startups, die noch keine nennenswerten Umsätze erzielen, sei Resilienz essenziell: Das betrifft nicht nur das Geschäftsmodell, sondern auch die Teamstruktur und die Fähigkeit, schwierige Marktphasen zu überstehen.
Vom Nischenprodukt zur Marktbreite
In dieser Diskussion wurden zentrale Herausforderungen und Strategien diskutiert, um biobasierte Produkte aus der Nische in den Massenmarkt zu bringen. Isabel Alvarez-Martos (Cellugy) betonte, dass Nachhaltigkeit zwar „die Tür öffnet, aber nicht den Deal abschließt“. Entscheidend seien Performance, Kosten in der Anwendung und ein klarer Nutzen für den Kunden. Annika Huomo (Borealis) verwies auf die strukturellen Mehrkosten biobasierter Materialien – vom Transport über Verarbeitung bis zur Rohstoffverfügbarkeit – und unterstrich die Notwendigkeit von Skaleneffekten, um Preisaufschläge – die so genannte „Green Premium“ – mittelfristig zu reduzieren. Ziel müsse es sein, Lösungen wirtschaftlich tragfähig zu machen, ohne bei ökologischen Ansprüchen Abstriche zu machen.
Eléonore Möller (Arkema) und Mat Wielopolski (Deloitte) beleuchteten, wie zirkuläre Wertschöpfung und differenzierte Preisstrategien helfen können, biobasierte Produkte in bestehenden Märkten zu etablieren. Entscheidend sei, frühzeitig Marktbedürfnisse entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu erkennen – vom Rohstoff bis zur Anwendung – und Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil der Geschäftslogik zu denken. Value-based Pricing und Customer-Centricity könnten helfen, die Zahlungsbereitschaft von Endkunden gezielt zu adressieren. Als zentrale Hebel zur Beschleunigung wurden u. a. eine Neuausrichtung der Beschaffungs-KPIs und intensive branchenübergreifende Kooperation genannt.
„Detoxification“ & „Defossilisation“ der Chemieindustrie
In einer hochkarätig besetzten Diskussion stellten Ivana Krkjus (BASF), Laura Kherbeck (Dow), Shaun Russel (Merck KGaA) und Peter Nieuwenhuizen (Change Chemistry) ihre Strategien zur gleichzeitigen Reduktion fossiler Rohstoffe und gefährlicher Chemikalien vor. Die Botschaft war klar: Nachhaltige Chemie muss beide Herausforderungen parallel adressieren. Während sich viele Unternehmen inzwischen systematisch mit CO₂-Reduktion und biobasierten Rohstoffen befassen, wird die Entgiftung – etwa der Ersatz von PFAS, toxischen Lösungsmitteln oder bedenklichen Additiven – oft noch zu wenig beachtet. BASF und Dow stellten unter anderem Ansätze wie vorausschauende Toxikologie, sogar ohne Tierversuche („predictive toxicology“) und Portfolio-Screening-Systeme vor, um problematische Substanzen frühzeitig zu identifizieren und aus dem Markt zu nehmen.
Von Pfadabhängigkeit zu Innovation: Ein zentrales Thema war die Notwendigkeit neuer, skalierbarer Alternativen, etwa im Bereich sicherer Lösungsmittel oder bio-basierter Polymere. Trotz regulatorischer Entwicklungen, wie REACH oder dem EU-Konzept „Safe and Sustainable by Design“, brauche es mutige Innovationen und Investitionen – vor allem in schwer ersetzbare, aber weitverbreitete Stoffgruppen. Merck etwa setzt auf edukative Partnerschaften wie „Beyond Benign“, um grüne Chemie bereits in der Ausbildung zu verankern.
Vielfalt biobasierter Anwendungen in B2B- und B2C-Märkten
In dieser lebendigen Session wurde eindrucksvoll gezeigt, wie unterschiedlichste Branchen biobasierte Materialien erfolgreich einsetzen – von Hightech-Schuhsohlen über industrielle Kühlflüssigkeiten bis hin zu Holzbeschichtungen. Delphine Martin von Climalife betonte die Vorteile biobasierter Wärmeübertragungsflüssigkeiten wie „Greenway Neo“, die durch niedrigere Viskosität sowohl Energieverbrauch als auch CO₂-Emissionen senken. Sören Focken von BCH stellte ein neu entwickeltes, kosteneffizientes Bio(Meth)Acrylate vor, das fossile Referenzprodukte ersetzen kann. Jake Van Daam von Insite Insoles zeigte wie Performance und Nachhaltigkeit durch einen bio-basierten PU-Schaum Hand in Hand gehen: Eine ursprünglich kleine Bestellung wuchs auf 800.000 Paar Schuhe, weil die Produkte durch höhere Widerstandsfähigkeit und 70 % Bioanteil überzeugten.
Alle Panelist:innen waren sich einig: Der Markt verlangt zunehmend LCA-Daten, Transparenz und Storytelling, um Konsument:innen den Mehrwert nachhaltiger Materialien zu verdeutlichen. Regulatorik spielt derzeit noch eine untergeordnete Rolle – der eigentliche Hebel für Transformation liegt in Innovation, Kundenkommunikation und der Bereitschaft, biobasierte Produkte als strategische Investition in Qualität und Zukunftsfähigkeit zu begreifen.
Künstliche Intelligenz als Katalysator
Die Paneldiskussion mit Lars Börger (nova-Institute), Vince Hoppe (Process Design Center), Jan-Harm Urbanus (TNO) und Damien Perriman (eXoZymes) zeigte eindrucksvoll, wie AI und maschinelles Lernen die industrielle Biotechnologie transformieren. Einigkeit bestand darin, dass viele der zugrunde liegenden Konzepte – etwa neuronale Netzwerke – nicht neu sind, aber durch heutige Rechenleistung erstmals skalierbar werden. Besonders spannend: Die Kombination von Datenqualität mit intelligenter Modellierung ermöglicht es, Materialien, Enzyme und Prozesse schneller, präziser und kosteneffizienter zu entwickeln. Perriman veranschaulichte das Potenzial an dem aktuellen Beispiel „nctx.one“: Ein AI-gestützter Enzym-Designprozess, der früher Jahre gedauert hätte, konnte nun mit zwei Personen in nur sechs Wochen erfolgreich durchgeführt werden.
AI bringt nicht nur Geschwindigkeit in F&E-Prozesse, sondern verändert auch die Go-to-Market-Strategien in der Bioökonomie. Die Panelist:innen betonten, dass durch intelligente Datennutzung neue Märkte erschlossen und komplexe Skalierungsprozesse effizienter geplant werden können – etwa durch Simulationen der Produktionsausrüstung oder prädiktive Analysen von Materialeigenschaften. Gleichzeitig wurde betont, dass AI nicht unbedingt Expert:innen ersetzen muss, sondern ihre Arbeit ergänzt („Human in the loop“). Unternehmen, die eigene Datensätze strategisch entwickeln und schützen, verschaffen sich dabei einen langfristigen Wettbewerbsvorteil. Die Herausforderung liege nicht nur in der Technik, sondern auch im Aufbau robuster Geschäftsmodelle rund um die Nutzung, Integration und den Schutz von KI-gestütztem Wissen.


